Aktualisiert am 05/08/2020 von Gina
Das Reisen bildet sehr;
es entwöhnt von allen Vorurteilen des Volkes,
des Glaubens, der Familie, der Erziehung.
Immanuel Kant
Wir blicken auf eine lange Zeit des Reisens zurück. Zählen wir die Familienurlaube, die uns als Kinder nach Italien oder Holland brachten, dazu sind es gute 50 Jahre. Mann, sind wir alt!
Jedenfalls eine gute Basis, um zurückzublicken und uns zu fragen: Was hat das Reisen mit uns gemacht? Stimmt das Zitat von Kant, dass Reisen bildet?
Unsere bisherigen Reisen
Lange Jahrzehnte waren unsere Urlaube auf den europäischen Raum beschränkt. Die einzige Ausnahme war ein Verwandtenbesuch in den USA, den ich als 15-Jährige machte. Er brachte mich schon mit einer völlig anderen Bild von Amerika zurück, als das, mit dem ich gestartet war.
Erst 2008 weiteten wir unseren Reisehorizont auf Fernreisen aus. USA, Chile und Kuba wurden unserer Ziele, bis wir schließlich 2016 zu unserer einjährigen Weltreise aufbrachen. Diese Langzeitreise hat sicher die tiefgreifendsten Veränderungen in uns bewirkt.
Reisen bildet – im klassischen Sinne
Als erstes denken wir beim Spruch „Reisen bildet“ an die Kenntnisse, die wir beim Reisen erwerben.
Sprachkenntnisse
Weltweit ist es unumgänglich, sich auf Englisch zu verständigen. Auch wenn wir beide nicht unbeschlagen in der Weltsprache waren, führte doch die Anwendung in ganz praktischen Dingen zu höherer Sprachkompetenz und Sicherheit. Wir haben allerdings die Erfahrung gemacht, dass die Königsdisziplin nur in Ländern zu erreichen ist, in denen Englisch Landessprache ist. Mit Asiaten Englisch zu radebrechen, führt zwar zur Verständigung, aber auch zu abenteuerlichen grammatikalischen Konstruktionen in der eigenen Anwendung.
In Südamerika kommst du abseits der großen Touri-Hotspots mit Englisch nicht weit. Hier haben wir unsere Spanisch-Sprachkenntnisse geschliffen und uns gefreut, welches Level der Verständigung möglich ist.
Geografische Kenntnisse
Auch das liegt auf der Hand. Ein Land, eine Stadt, die wir selbst bereist haben ist viel konkreter in unserem Verständnis, als wenn wir nur auf die Karte schauen. Wir wissen jetzt, dass die Hauptstadt von Bolivien NICHT La Paz ist, sondern Sucre. Wir kennen den Platz der südostasiatischen Länder auf der Weltkarte nun.
Gerade in Städten ist der Moment, wo aus dem Stadtplan eine Stadt wird, ein ganz besonderer. Zu den Namen von Plätzen, Straßen oder Gebäuden kommt ein reales Bild.
Kenntnisse über Natur und Umwelt
Beim Reisen erfahren wir, wie es im Regenwald zugeht. Welche Überlebensstrategien Tiere in der Wüste entwickeln. Wie weit die Korallen des Great Barrier Reefs schon abgestorben sind.
All das könnten wir uns auch anlesen. Meist bleibt es aber nicht lange in unserem Gedächtnis. Der Eindruck des selbst Erlebten reicht viel tiefer.
Natürlich wussten wir auch schon vorher, dass der Plastikmüll ein Riesenproblem ist. Schwappende Müllteppiche auf asiatischen Flüssen machen es für uns aber noch mal eindringlicher.
Reisen verändert
Als erstes verändert sich unser Reisestil durchs Reisen.
Unsere erste gemeinsame Fernreise führte uns wieder in die USA, in den Grand Canyon und die umliegenden Nationalparks. Mit dabei: zwei riesige Reisetaschen für jeden.
Unser Fernweh war damit entfacht, zwei Jahre später reisten wir nach Mexiko. Ganz individuell trauten wir uns in so einem „gefährlichen“ lateinamerikanischen Land noch nicht. Daher buchten wir eine geführte Rundreise durch Mexiko.
Zwei Jahre später reisten wir in Chile von Valparaíso hinunter bis zum patagonischen Inlandseis. Da trauten wir uns schon individuell, buchten aber alle Unterkünfte vor. Sicher ist sicher!
Auf unsere Kuba-Rundreise waren wir versiert genug, um die privaten Unterkünfte erst von Ort zu Ort vorzubuchen und so größtmögliche Flexibilität zu erreichen. Ein Reisestil, den wir seitdem am liebsten pflegen.
Der Flexibilität kommt es entgegen, mit möglichst leichtem Gepäck zu reisen. Auf unserer Weltreise waren wir jeder mit etwa 16 – 17 Kilogramm Aufgabegepäck unterwegs. Da wir mit dem Inhalt unserer Rucksäcke ein Jahr ausgekommen sind, ist klar, wie wenig wir wirklich unterwegs benötigen.
Heute reicht uns für einen Urlaub in einem warmen Land ein großer Kofferrucksack für uns beide zusammen.
Nicht nur auf den Reisestil, auch auf den Lebensstil hatten unsere Reisen letztendlich großen Einfluss. Wir leben heute in einer kleineren Wohnung, sind beide nur noch in Teilzeit berufstätig und haben unseren Konsum sehr reduziert. In „Unser Leben danach – was brauchen wir wirklich?“ gehen wir auf dieses Thema genauer ein.
Reisen lässt uns wachsen
Die bisher genannten Veränderungen durchs Reisen sind eher äußerliche. Die wirklich wichtigen Veränderungen finden in uns statt (und bewirken teilweise die oben aufgeführten äußerlichen).
Toleranz
Das Reisen erhöht unsere Toleranz gegenüber anderen Menschen, Lebensstilen und Gewohnheiten. Auch vor unseren Reisen waren wir tolerante Menschen. Dass da immer noch was geht in puncto Toleranz haben uns unsere Erfahrungen im Ausland gelehrt.
Hautnah zu erfahren, wie anders andere Menschen in fernen Ländern leben und arbeiten ist wiederum etwas anderes, als darüber zu lesen.
Es lässt uns unsere eigenen Werte, die uns in unserer Kultur eingetrichtert werden hinterfragen. Nicht alle werfen wir deshalb über Bord. Aber manche ändern sich graduell.
Toleranter werden wir andererseits gegenüber vielen Dingen in Deutschland, die von Leuten, die länger im Ausland waren angeprangert werden. Ja, es ist nicht alles super hier, aber es gibt vieles, für das wir dankbar sein können.
Und einen deutschen Pass zu besitzen ist ebenfalls ein Grund zur Dankbarkeit, denn er öffnet so viele Grenzen für uns wie für kaum eine andere Nation.
Kommunikation
Unsere Fähigkeit, zu kommunizieren ist auf unseren Reisen gewachsen. Nicht nur im fremdsprachlichen Sinn, wie oben beschrieben. Wir waren in Ländern und Gegenden unterwegs, wo wir mit unseren Sprachkenntnissen nicht weiterkamen. So haben wir gelernt, dass es möglich ist, sich buchstäblich mit Händen und Füßen zu verständigen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der unter Kommunikation fällt: Wir haben gelernt, Wünsche zu äußern und nach Dingen zu fragen. In den allermeisten Fällen war das von Erfolg gekrönt. Ob es darum geht, einen anderen Stellplatz auf dem Campground zu bekommen oder beim potenziell zukünftigen Arbeitgeber nach mehr Urlaubstagen zu fragen – es schadet nie, seine Wünsche zu äußern.
Selbstbewusstsein
Gerade auf der langen Zeit der Weltreise hatten wir viel Zeit zur Selbstreflexion. In aller Ruhe die Gedanken fließen zu lassen ist etwas, das hier im hektischen Alltag meist nicht möglich ist. So lernten wir uns selbst immer besser kennen.
Eine für uns ganz wichtige Erkenntnis daraus gipfelt in dem Satz: „Wir müssen gar nix!“ Wie oft meinen wir, dass uns Umstände zu etwas zwingen, was wir gar nicht wollen. Bei genauerem Nachdenken können wir sagen, dass jede Handlung oder eben Unterlassung irgendwelche Folgen hat. Wir können uns dafür oder dagegen entscheiden, aber wir werden nicht von der Alternative bestimmt.
Wir machten die Erfahrung, dass sich Probleme, an die wir vorher nicht einmal gedacht hätten immer irgendwie lösen lassen. Das führte neben mehr Selbstsicherheit allgemein zu größerer Gelassenheit. Die konnten wir uns glücklicherweise auch für unser Leben nach der Weltreise bewahren.
Und mit dem größeren Selbstbewusstsein und den erlangten Erkenntnissen lassen wir uns so schnell nicht mehr ins Bockshorn jagen. Wir können eine gesunde Skepsis an den Tag legen, wenn uns Dinge als alternativlos präsentiert werden. Und auch das trägt wieder zu unserer Gelassenheit bei.
Unsere Reisen, und ganz besonders die Weltreise, haben uns so viel gelehrt, dass wir keinen Tag davon missen möchten. Sehr dankbar schauen wir auf die Zeit zurück und sind offen für die Zukunft.
Auf dass wir noch viel mehr lernen werden!
Mit diesem Beitrag beteiligen wir uns an der Blogparade “Reisen verändert” von Sabine Olschner.
Hallo ihr beiden… eine schöne Erkenntnis, beziehungsweise ganz viele davon! Mir geht es sehr ähnlich, auch wenn ich bisher nicht auf einer Weltreise war. Auch das Arbeiten im Ausland hat mich dem Erlebnis, wie eine andere (uns eigentlich gar nicht so fremde) Kultur eben doch anders tickt nochmals näher gebracht, als “nur” das Reisen. Ebenfalls ein tiefer Taucher in eine andere Kultur und ins Verständnis für Andere war mein Sprachaufenthalt in einer Gastfamilie. Ob es (Welt-) Reisen, Gastfamilien, Fremdarbeiten oder Kurztripps sind – ja, Reisen verändert… und ich meine, zum positiven. Liebe Grüsse, Miuh
Liebe Miuh,
beim Arbeiten im Ausland und Leben in einer Gastfamilie bekommt man bestimmt einen tiefen Einblick in Kultur und Gebräuche.
Freut uns, dass dir unser Artikel gefällt!
Liebe Grüße Gina und Marcus
Vielen lieben Dank für den Einblick in die “Folgen” Eurer Weltreise. Und danke fürs Teilnehmen an meiner Blogparade.
Sehr gerne haben wir daran teilgenommen. Ein tolles Thema!
Liebe Grüße Gina und Marcus
Hallo Gina und Marcus,
danke dafür, dass Ihr so wunderbar reflektiert habt und hier so viel wichtiges in einem einzigen Artikel zusammen gefasst habt. Ich glaube auch, dass Reisen einen verändert, allerdings bin ich mir noch nicht klar, wie das bei mir der Fall war, daher gibt’s für Sabine auch noch keinen Beitrag. Bei Euch war sicherlich die Weltreise nochmal ein großer Einschnitt! In so einer langen Zeit außerhalb der Komfortzone verändert man sich stark.
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
da hat du recht, dass die Weltreise wirklich ein Einschnitt in unserem Leben war und viele Veränderungen mit sich gebracht hat und deutlich gemacht hat.
Aber auch mit unseren vorherigen Reisen haben wir uns Stück für Stück verändert. Ich bin sicher, das ist auch bei dir der Fall!
Liebe Grüße Gina und Marcus
Ihr Lieben,
wir haben exakt die gleichen Erfahrungen gemacht!
Und alles – wirklich alles! – war am Ende eine Bereicherung.
Manchmal bereue ich, dass ich nicht schon eher mit dem Reisen angefangen habe – aber es war halt so, wie es war mit meinen Rahmenbedingungen im Leben. Umso wichtiger ist es mir, den kleinen Entdecker jetzt schon auf die Welt vorzubereiten.
Ich bin gespannt auf die vielen Abenteuer, die sie noch zu bieten hat für uns!
Alles Liebe aus dem Münsterland!
Ines-Bianca von den Entdeckerstorys
Liebe Ines-Bianca,
was sollen wir erst sagen, wenn du schon findest, du habest zu spät mit dem Reisen angefangen? ?
Es ist nie zu spät, Erfahrungen zu sammeln und daran zu wachsen.
Wir wünschen euch noch viele bereichernde Reisen mit dem kleinen Entdecker!
Liebe Grüße Gina und Marcus
Liebe Gina und lieber Marcus,
ein super schöner Beitrag! Der Blick in den Regenwald ist ja traumhaft!! Das mit dem Gepäck kennen wir auch ;-)
Lustigerweise fällt mir das Packen für nördliche Destinationen leichter, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass die Auswahl begrenzt ist und die Tauchausrüstung nicht mit muss…
Besonders gut gefällt mir aber der Teil mit der Toleranz. Man sollte scheinbar viel mehr Menschen auf Reisen schicken…
Liebe Grüße
Ines
Liebe Ines,
vielen Dank!
Dass die Tauchausrüstung viel Platz im Gepäck beansprucht, können wir uns lebhaft vorstellen. Auf dem Foto mit den vier großen Gepäckstücken ist nämlich unsere Paddelausrüstung mit dabei.
Ja, die Toleranz… Wir sind ja selber erstaunt, was das Reisen da mit uns macht, haben wir uns doch vorher auch schon für tolerant gehalten. Aber da geht immer noch was.
Liebe Grüße
Gina und Marcus
Ihr Lieben,
das sind wirklich wahre Worte, die ich ebenfalls so unterschreiben kann. Ein Pauschaltourist wird solche Erkenntnisse vermutlich nie bekommen, weil er seine All-inkl. Komfortzone nie verlässt.
Auch ich kann sagen, dass mich das Reisen sehr viel toleranter hat werden lassen und das ist großartig. Vor allem bin ich dankbarer geworden und versuche die Doofen Kleinigkeiten im Leben gelassener zu nehmen.
Lg Miriam
Liebe Miriam,
die Gelassenheit, die uns die kleinen Widrigkeiten des Alltags besser hinnehmen lässt ist für uns tatsächlich eine der großartigsten Auswirkungen unserer Reisen. Wie entspannend, wenn wir uns nicht mehr über jeden Scheiß aufregen müssen…
Liebe Grüße
Gina und Marcus
Danke für die schönen Einblicke in eure Reiseerfahrungen, denen ich wirklich absolut zustimmen kann.
Es ist die Toleranz, der Blick über den Tellerrand, der Reisen so spannend macht.
Liebe Grüße, Katja
Liebe Katja,
letztendlich machen wir als Reisende alle ähnliche Erfahrungen. Zumindest, wenn wir mit offenem Blick und offenem Herzen die Welt bereisen.
Liebe Grüße
Gina
Hallo ihr zwei! Schön, dass ihr auch die “klassische” Bildung erwähnt, die das Reisen bietet. Das fällt mir auch auf, besonders, seit ich mit Kindern reise. Alles Liebe, Laura.
Hi Laura,
ja, das Reisen bildet wirklich auf vielfältige Weise!
Liebe Grüße Gina und Marcus
[…] Reisen bildet – wie uns unsere Reisen verändert haben von 2 on the go. Spannende Gedanken zum klassischen Lernen und zum persönlichen Wachstum […]
Hallo ihr beiden,
ich lese immer mit Spannung eure Berichte und besonders dieser hier zeigt mir, dass man nicht zwingend Anfang/Mitte Zwanzig sein muss, um die Welt zu erobern. Vielleicht liegt es daran, dass wir ähnlich alt (jung) sind und ihr eure Berichte so verfasst, dass ich sofort dabei bin. Alles, was ich wissen möchte, ist erwähnt. Danke dafür! Dieser sehr persönliche Artikel ist besonders spannend für mich, denn auch wenn ich ich in einem kleineren Radius reise: ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich mutiger sein muss, als ich es eigentlich bin.
Liebe Grüße
Elena
Vielen lieben Dank für dein Feedback. Das freut uns immer sehr, wenn wir hören, dass unsere Berichte bei unserem “Zielpublikum” gut ankommen.
Und du hast völlig recht: beim Reisen kommt es nicht unbedingt auf den Radius an, in dem wir uns bewegen. Bereichernde Erfahrungen können wir überall unterwegs machen.
Liebe Grüße
Gina und Marcus