Aktualisiert am 02/07/2024 von Gina
Unser Roadtrip durch das südliche Marokko beginnt in Agadir. Wir versorgen uns mit lokalen SIM-Karten und holen unser Auto, einen kleinen Hyundai I10, ab. Wenig später befinden wir uns auf dem Weg in den Anti-Atlas. Unser Ziel ist der Ort Tafraoute.
Auf dem Weg nach Tafraoute
Auf dem Weg liegt ein schöner Agadir beim Ort Tizourgane. Agadir ist nicht nur der Name des großen Badeortes im Süden Marokkos, sondern auch eine Bezeichnung für die typischen Speicherburgen. Diese wurden in traditioneller Lehmbauweise meist auf Hügeln in der Nähe des Dorfs errichtet und sollten die lebenswichtigen Vorräte der Bewohner sowie sie selbst vor feindlichen Zugriffen schützen. Viele dieser Lehmbauten im Anti-Atlas sind heute halb zerfallen, da sie beständige Pflege und Reparatur benötigen.
Der Agadir Ksar Tizourgane thront majestätisch auf einem Hügel und zieht schon von weitem unsere Blicke auf sich. Liebevoll restauriert ist er heute im Besitz von ein paar wenigen Familien, die dort ein Gästehaus unterhalten. Laut unserem Reiseführer kann man sich für ein kleines Eintrittsentgeld durch den Agadir führen lassen. Als wir die breite Steintreppe mit den unregelmäßigen Stufen erklommen haben, stehen wir allerdings vor verschlossenem Tor. Nun, dann genießen wir eben nur die Aussicht von unserem erhöhten Standort über die Berge des Anti-Atlas.
Am frühen Abend erreichen wir unser Ziel Tafraoute. Ein freundlicher Mann, der perfekt Deutsch spricht, zeigt uns mit seinem Roller den Weg zu unserem Gasthaus, nachdem wir uns in den Gassen verfahren haben.
Der Ort Tafraoute im Anti-Atlas
Tafraoute ist ein kleiner Ort auf 1000 Meter Höhe. Hier geht es touristisch noch relativ ruhig zu. Die Stadt selber hat keine Sehenswürdigkeiten zu bieten, ist aber Ausgangspunkt für die Erkundung der verschiedenen Highlights des Anti-Atlas in der Umgebung.
Dass die Stadt sich auf Tourismus eingestellt hat, merkt man an den Händlern, die oft fließend Deutsch sprechen. Wir werden mehrfach angesprochen, dabei bleibt der Ton immer freundlich und wir fühlen uns nicht bedrängt.
Es gibt einige Unterkunftsmöglichkeiten und Restaurants in Tafraoute. Unser Gasthaus bietet kein Frühstück, daher machen wir uns am nächsten Morgen zunächst auf in ein kleines Lokal. Hier serviert man uns Berber-Frühstück: ein köstliches Berber-Omelette mit Oliven, Tomaten, Zwiebeln und aromatischen Gewürzen gebraten, dazu frisch gepressten Orangensaft, Kaffee und Fladenbrot. Für unsere Tage in Tafraoute werden wir hier Stammkunden.
Eine weitere Spezialität der Gegend ist Amlou, auch Berber-Nutella genannt. Eine süße Paste aus Mandeln und Arganöl, die als Brotaufstrich zum Frühstück verwendet wird.
Die beste kulinarische Entdeckung, die wir in Tafraoute machten, ist eine kleine Berber-Bäckerei. Ein auf die Wand gepinselter Schriftzug “Pain berbère” ist der einzige Hinweis, dass sich hinter der unscheinbaren Tür, hinter der einige Stufen nach unten ins Dunkel führen um einen Laden handelt. Ein weiterer Hinweis ist natürlich der köstliche Duft nach frisch gebackenem Brot. Nachdem wir uns die Stufen nach unten getastet haben stehen wir vor einer Tür, in die ein Verkaufsfenster eingelassen ist. Das typische Berberbrot wird auf heißen Kieseln gebacken und hat daher viele Dellen auf der Unterseite. Manchmal fällt auch noch ein Stein aus dem Brot.
Da es direkt vom Ofen verkauft wird und die einzige Verpackung ein Stück Papier ist, müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht die Finger verbrennen. Hier versorgen wir uns jeden Tag in Tafraoute mit köstlichem Brot für unser Mittags-Picknick.
Das Tal der Ammeln bei Tafraoute
Wir wollen uns das Tal der Ammeln anschauen, das vier Kilometer nördlich von Tafraoute liegt. Die Ammeln sind ein Berber-Stamm, die in diesem abgeschiedenen Tal des Anti-Atlas ein paar kleine Dörfer gegründet haben, die noch heute sehr hübsch sind. Sie liegen in einer beeindruckenden Landschaft aus schroffen Bergen mit rötlichem Fels.
Hier soll man gut wandern können. Natürlich gibt es keine markierten Wanderwege, wir suchen uns unseren Weg entlang der Pfade. Eine alte Frau begegnet uns. Sie trägt einen geflochtenen Korb voll Wäsche an einem Band über ihre Stirn. Ihr verwittertes Gesicht strahlt, als sie uns sieht, aus einem nahezu zahnlosen Mund kommen Begrüßungsworte in Tamazight, der Berbersprache. Wir verstehen natürlich kein Wort, aber die freundliche Begegnung erfreut uns.
Auf unserem Weg kommen wir an alten, verlassenen Lehmbauten vorbei, in den steilen Hang gebaut und dem Verfall preisgegeben. Doch nicht alle dieser Häuser sind verlassen, einige werden immer noch bewohnt. Über steile Geröllpfade steigen wir wieder hinab in den Ort. In den Dörfern selber treffen wir erstaunlich wenig Menschen. Einige sehr schöne gepflegte Häuser machen den Eindruck von Wochenend-Wohnsitzen.
Im Schatten eines Arganbaums lassen wir uns nieder, um unser mitgebrachtes Picknick zu verzehren. Wir genießen die Stille. Nur das Rauschen des Windes in den Bäumen und das Zwitschern der Vögel ist zu hören. Hoch über uns wacht die Felsformation des Tête de Lion (Löwenkopf) am Gipfel des Gebirges.
Nach unserer Wanderung fahren wir ins Dorf Oumesnat, wo es ein Maison Traditionelle zu besichtigen gibt. Der blinde Abdel Sallah führt uns durch sein traditionelles Berberhaus. Wir erfahren, wie das wertvolle Arganöl aus den Früchten gepresst wird, sehen die alte Küche im Zentrum des Hauses, bekommen ein kompliziertes Berber-Türschloss demonstriert und werden schließlich in den prachtvoll dekorierten Salon eingeladen. Bunte Teppiche schmücken Boden und Wände, Polster reihen sich entlang der Wand. Abdels Sohn, der hier ein Gästehaus betreibt, zelebriert die Teezeremonie für uns. Während wir unseren Tee nippen, erfahren wir viele interessante Dinge über das Leben der Berber im Anti-Atlas.
Die Ait Mansour Schlucht
Ein landschaftliches Highlight der Extraklasse ist die Ait Mansour Schlucht. Sie liegt etwa 30 Kilometer südlich von Tafraoute entfernt. Die Straße führt über einen kleinen Pass, ehe sie sich wieder ins Tal senkt. Immer enger rücken die Felswände zusammen. Im Talgrund erkennen wir ein kleines Flüsschen, dass das lebensnotwendige Nass bringt.
Schließlich erreichen wir das üppige Grün der Oase im Tal. Unter schattenspendenden Palmen ist ein Parkplatz eingerichtet, auf dem wir unser Auto abstellen. Ruhig fließt der Fluss durchs Tal. Kleine Bewässerungskanäle zweigen von ihm ab, um die Obstgärten mit dem kostbaren Nass zu versorgen. Zu Fuß folgen wir der schmalen Straße durchs Ait Mansour Tal. Palmen, andere Bäume und große Büsche schaffen ein Szenario dichten Grüns. Dahinter erheben sich majestätisch die rotbraunen Felswände der Schlucht.
Kleine Orte liegen entlang der Straße, die Häuser wurden in die steil aufragenden Hänge gebaut. Von einer Moschee ertönt der Ruf des Muezzins. Etwas weiter hören wir Musik und Gesang. Verschleierte Frauen und Männer in langen Gewändern gehen die Straße entlang.
Wir lassen die Atmosphäre auf uns wirken. An einem Mäuerchen setzen wir uns im Schatten eines Tamariskenstrauchs und verzehren unser mitgebrachtes Picknick. Nachdem wir etwa eine Stunde lang in das Tal hineingewandert sind, kehren wir um. Auf dem Rückweg stärken wir uns mit einem süßen Berbertee in einem kleinen Café am Wegesrand.
Die blauen Felsen
Ein Kunstprojekt sechs Kilometer südlich von Tafraoute lässt die Wüste bunt werden. Von der Teerstraße aus weisen Schilder mit der Aufschrift “Les Rochers peints” den Weg über eine gut befahrbare Piste.
Schon von weitem leuchten bunte Farbkleckse in der Felslandschaft. Die Farbe Blau dominiert, aber auch Pink, Weiß und Lila ist vertreten. Verschiedene Felsformationen wurden großflächig bunt bemalt. Es ist ein bizarres Erlebnis mitten im Nirgendwo des Anti-Atlas.
Das Werk wurde 1985 von einem belgischen Künstler geschaffen. Inzwischen haben sich auch andere “Künstler” daran verewigt. So findet man diverse Graffitis von mal mehr, mal weniger hohem künstlerischem Anspruch.
Auf jeden Fall ist es sehr interessant, durch die Wüstenlandschaft zu wandern und die riesigen bemalten Felsen auf sich wirken zu lassen.
Infos zum Anti-Atlas rund um Tafraoute
Anreise nach Tafraoute und die umliegenden Orte
- Busse fahren von Agadir, Casablanca und Marrakesch nach Tafraoute. Die Busse verkehren von einer Busstation an der Hauptstraße Route d’Ammeln aus.
- Regionalbusse in die Umgebung fahren etwa alle zwei Stunden ins Ammelntal oder zum Dorf Afella Adai (Richtung Rochers peints). Für alle anderen Ziele gibt es Grand Taxis.
- Mietwagen: Die bequemste Variante, um Tafraoute und den Anti-Atlas zu entdecken ist der eigene Mietwagen. Wir haben unseren Wagen von Deutschland aus vorbestellt und sind in Agadir, wie beschrieben, gestartet.
- Fahrräder: Auch Fahrräder zur Erkundung der Umgebung kannst du dir in Tafraoute ausleihen. Im Maison des Vacances an der Route d’Agouerd Oudad gibt es einen Fahrradverleih.
Unterkunft und Restaurants
- Unser Gasthaus haben wir über Booking reserviert. Es gibt mehrere kleine Hotels und Gasthäuser in Tafraoute, auch im Ammelntal sind einige schöne Unterkünfte zu finden.
- Restaurants: Im kleinen Ortszentrum finden sich einige kleine Restaurants, die zu jeder Tageszeit geöffnet haben. Wir haben im Restaurant La Kasbah an der Route d’Aguerd Oudad sehr gut gegessen, außerdem in dem kleinen, namenlosen Lokal an der Rue al Jeish al-Malaki.
Einkaufen
- An der zentralen Place Moulay Rachid gibt es einen kleinen Souk, wo du Obst und Gemüse erstehen kannst.
- Kleine bis winzige Lebensmittelläden gibt es an jeder Ecke, so dass du dich mit dem Nötigen versorgen kannst.
- Die kleine Bäckerei, die das köstliche Pain Berbère herstellt findest du an der Route d’Ammeln gegenüber der Busstation.
- Die üblichen Läden, die Babouches, Teppiche, Silberwaren und alles andere, was das Touristenherz höher schlagen lässt, verkaufen findest du rund um die Place Mohammed. Auch “Wanderkarten” werden hier angeboten, doch hat uns die Qualität nicht überzeugt und wir haben lieber unser Handy-GPS zu Rate gezogen.
- Geldautomaten gibt es an der Place al Massira.
Touren im Anti-Atlas um Tafraoute:
- Das Ammelntal liegt etwa 4 Kilometer nördlich von Tafraoute. Wenn du von Agadir kommst, passierst du es schon. Viele kleine Dörfer liegen dort, die durch kleine Pfade verbunden sind. Du kannst dort sicher noch viel mehr und ländere Wanderungen unternehmen, als wir sie gemacht haben. Als schönster Ort gilt Oumesnat, wo wir das Maison Traditionelle besucht haben.
- Das Ait Mansour Tal erreichst du, indem du von Tafraoute aus der Straße in südlicher Richtung nach Aguerd Oudad folgst. Etwa sieben Kilometer hinter Tafraoute biegst du links auf die Straße nach Adella Ighir ab, später hältst du dich an der Kreuzung rechts Richtung Tasrirt. Die Strecke dorthin ist landschaftlich spektakulär und bereitet dich auf die Schönheit des Ait Mansour Tals vor. Am Beginn der eigentlichen Schlucht liegt der oben erwähnte Parkplatz. Du kannst auch mit dem Auto durch die Schlucht fahren, allerdings ist die Straße eng und zu Fuß kannst du die Ausblicke besser genießen.
- Zu den Blauen Steinen, Peintures oder Rochers peints genannt fährst du ebenfalls die Straße Richtung Südosten aus Tafraoute hinaus (wie zur Ait Mansour Schlucht). Hinter Afella Adai zweigt rechts die mittlerweile ausgeschilderte Piste zu den Rochers Peints ab. Sie ist auch mit einem Kleinwagen gut zu befahren.
- Felsgravuren gibt es 2 Kilometer südwestlich von Tafraoute zu sehen. Am besten fragst du Einheimische nach dem Weg, sie sollen nicht einfach zu finden sein.
- Agouerd Oudad ist ein malerisches Dorf in einem Palmenhain, umgeben von bizarren Felsgebilden, wie dem Chapeau Napoléon. Es ist 3 Kilometer von Tafraoute entfernt und kann in einer kleinen Wanderung oder Fahrradtour erkundet werden.
Nun liebe Marokkofreunde, ihr währet beim Agadir Tizourgane nicht vor dem verschlossenen Tor gestanden, wenn ihr euch dort eine Unterkunft organisiert hättet.
Ich (wir) haben dies nämlich voriges Jahr so gemacht, und, obwohl nicht gerade billig, es hat sich gelohnt.
Gruß vom Chris, der Marokko schon seit 1994 besucht.
Hallo Chris,
ja, das wäre vermutlich so gewesen.
Beim nächsten Mal dann.
Viele Grüße von den Marokko-Frischlingen
Gina und Marcus
Servus, Danke für den hervorragend informativen Bericht !
Frage: Kann man Ait Mansour auch mit einen kleinen Wohnmobil ( Hymer Van ) anfahren ?
Hallo Helmut,
danke!
Es ist eine ganz normale Straße nach Ait Mansour, ich denke, dass du da keine Probleme mit einem kleinen Wohnmobil haben wirst.
Viel Spaß!
Viele Grüße
Gina
Also eure Berichte über Marokko (sämtliche Touren) sind das Beste, was ich bisher gelesen habe! Macht echt Spaß, darin zu schmökern und hilft mir bei meiner Planung für die nächste Tour. Vor allem endlich mal nützliche Infos nicht nur für Offroad-Spezialisten (da gibt’s wirklich schon unzählige Blogs), sondern auch für Reiselustige, die sich (leider) mit einem “ganz normalen” Fahrzeug zufrieden geben müssen. (Sorry an dieser Stelle an alle Offroader.) Und auch ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle, dass Ihr alle Fragen so schnell und ausführlich beantwortet – was nicht unbedingt selbstverständlich ist.
Herzliche Grüße und noch viele schöne Erlebnisse!
Barbara
Liebe Barbara,
vielen Dank für die netten Worte! Das freut uns sehr, denn genau dafür schreiben wir unsere Beiträge: damit ganz “normale” Menschen sich wagen, ihre Reiselust auszuleben.
Dir wünschen wir auch ganz viele tolle Erlebnisse bei deiner nächsten Marokko-Tour.
Liebe Grüße
Gina und Marcus
vielen dank für die informationen!
Sehr gerne!
Freut uns, wenn sie hilfreich waren.